Ich bin mir nicht sicher, wohin mit dieser Rezi. Denn eigentlich ist "Raze" kein Romantic Suspense, aber für einen Zeitgenössischen enthält er einfach zu viel Gewalt. Wenn ihr in also lieber verschieben wollt - nur zu!
Teil einer Serie
Klappentext
siehe Verlag oder Amazon
Meine Einschätzung
Als Teenager von der georgischen Mafia entführt und über 10 Jahre in einem Unterweltgefängnis versteckt, gefoltert, gequält, missbraucht und gezwungen als Deathmatch-Kämpfer im Käfig anzutreten ist 818, der auch Raze genannt wird, endlich die Flucht gelungen.
Über sich selber weiß er nur, dass er ein tödliches Monster ist. Aber er hat ein Ziel: Alik Durrow töten. Und endlich in New York Brooklyn angekommen, ist das greifbar nahe.
Als eine Frau der Bratwa weiß Kisa welches Leben ihr bestimmt ist; vor allem seit Luka, einer der Bratwa-Erben, ihre Jugendliebe, tot ist. So ist sie zwar nicht glücklich damit, aber sie hat die Ansprüche über sich von Alik, dem letzten noch lebenden Erben als einzige ihr verbleibende Möglichkeit akzeptiert.
Als sie jedoch, während ihrer Arbeit für die Kirchengemeinde, auf 818 stößt, verändert sich alles. Sie ist sich sicher in dem monströsen Kämpfer ihren Luka erkannt zu haben. Aber kann sie es hoffen, dass er es wirklich ist? Und was ist mit Alik, wenn sie sich 818 hingibt?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich mich in einem Artikel auf Happy End Buecher darüber beschwert hatte, dass es kaum Liebesromane mit "echten" BadBoys (bzw. Killer, auf die ich mich bezog) gäbe und vermutete dahinter die "fehlenden politischen Korrektheit" der Berufswahl der Helden.
Aber es gibt sie doch, diese Romane. Zumindest scheinen Inhalte solcher Art auf einer neuen Welle zu schwimmen und erfreulicherweise auch zu uns rüberzuschwappen, wie es auch die immer zahlreicher werdenden Rockerclub-Romane beweisen.
Tillie Coles "Raze", der 1. Teil ihrer "Scarred Souls", spielt nicht im Rocker Milieu, sondern in dem der russischen Mafia. Und um es vorneweg zu nehmen, hier geht es auch nicht um geläuterte Seelen, die erst politisch korrekt werden müssen, bevor sie eine Liebesgeschichte erhalten. Sondern die Autorin zieht den Stolz zur Bratwa zu gehören bis zum Schluss durch, lässt ihren Helden im Kampf seinen Feind töten, vor den Augen der, vielleicht nicht begeisterten, aber doch neutral zu dem Event stehenden Heldin, es ist halt Family Business, und lässt dann die Familie des verlorenen Sohnes über die Leichen ihrer Feinde steigen und eine herzliche und tränenreiche Familienzusammenführung feiern.
Es ist also einiges geboten in "Raze", was nicht unbedingt für zarte Gemüter, moralische Bedenken geeignet ist oder politische Korrektheit anstrebt. Und ich habe jedes Wort davon genossen.
Die im Buch dargestellte Gewalt ist nicht ohne, aber selbst ich weiß einen "Knight in Shining Amor" zu würdigen, auch wenn er über die von ihm gewalttätig getöteten Feinde geht, um die Frau zu beschützen, die er liebt. Aber es war nicht die Darstellung von Brutalität, die mich beim Lesen so gefesselt hat, sondern die Art und Weise, wie die Autorin an diese (Liebes-)Geschichte heran geht, wie sie sie erzählt und welche Stilmittel sie dafür nutzt.
So wird die Geschichte sowohl aus Razes, als auch aus Kisas Sicht erzählt. Die beiden wechseln sich kapitelweise ab, sodass es für mich als Leser ein leichtes war, ihr Fühlen und Denken zu verfolgen und nachzuvollziehen.
Im Fokus des Romans steht Razes langsam wiederkehrendes Erinnerungsvermögen und wie er es schafft seine Vergangenheit, das Geschehene und das Zukünftige in dem anderen Ich, das aus ihm geworden ist, zu vereinen. Dabei fängt die Autorin ganz langsam an und stellt Razes Denken und Handeln zu Beginn der Geschichte erst einmal recht eindimensional und einsilbig dar. Mit der Begegnung mit Kisa, seiner Erinnerung und seinen wiederkehrenden Gefühlen für seine Seelenverwandte wird sein Charakter dann mit jeder Buchseite komplexer.
Mit Kisa hat ihm die Autorin eine wirklich starke Heldin zur Seite gestellt. Sie ist nicht minder loyal und hat kein geringer schwieriges Schicksal erlitten. Sie arbeitet engagiert und zuverlässig in einem Teil des "Familienunternehmen" (Deathmatch Events) und ihr Vater schenkt ihr Gehör, als es wirklich wichtig ist, aber sie weiß eben auch was ihre Möglichkeiten als Frau der Bratwa sind und respektiert die ungeschriebenen Gesetze. Es mag sein, dass sie sich ihr Schicksal an Aliks Seite vielleicht ein wenig zu gut redet, doch wird das auch nachvollziehbar von der Autorin erklärt.
Vielleicht wird hier und da die russische Seele einmal zu viel und auf zu romantische Art beschworen. Und ja, das Ende ist vielleicht einen Hauch zu kitschig geraten. Ein Mann, der nach einem tödlichen Kampf, mit seiner Freundin kuschelt und sich Emily Brontes "Sturmhöhe" vorlesen und deren Inhalte Liebesschwur zitieren lässt und ähnliches - ob das des Guten zu viel ist, darüber kann man sicherlich streiten.
Ich für meinen Teil als Happy End fixierter Leser, war an dieser Stelle einfach nur froh, dass es für meine Protagonisten, mit denen ich eine ganze Strecke lang gelitten hatte, nun doch noch eine glückliche Zukunft geben wird und solche Details angesichts dessen zur Nebensache erklärt.
Kurz gefasst: Aufwühlend, fesselnd und hervorragend erzählt. Unbedingt lesen!
5 von 5 Punkte