Bianca Peiler - Graue Magie

...wenn es denn mal etwas anderes als ein Liebesroman sein soll;)

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Bianca Peiler - Graue Magie

Beitragvon mallory » 10.05.2015, 18:06



Inhalt: Michael Wiegald hat sich verliebt. Zum ersten Mal in seinem Leben ist der zweiundzwanzigjährige Literaturnerd hin und weg. Seit er seine Angebetete in der Stadtbibliothek Saarbrücken gesehen hat, kann er nur noch an sie denken und sehnt den Augenblick herbei, an dem er sie wiedersieht.

Da gibt es nur ein unbedeutendes Problem: Michael hat vor zweiundfünfzig Jahren genau dort in der Bibliothek auf tragische Weise sein Leben ausgehaucht – und geistert seitdem im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Bücherregalen umher, ohne den Ort, an dem er den Tod gefunden hat, verlassen oder sich irgendwie bemerkbar machen zu können.

Als sich dann auch noch die junge Ausreißerin Nadine in der Bibliothek einschließen lässt, um ihrem lieblosen Vater zu entfliehen, ist das Chaos perfekt. Denn Nadine ist eine Hexe – und sieht wortwörtlich Gespenster. Und sie hat einige ziemlich abgefahrene Ideen, wie man Michaels Angebetete für immer an ihn binden könnte …

Meine Meinung: Gerne hätte ich diesen Roman bei "Romantasy" eingeordnet, da die Freundschaft, die sich zwischen Michael und Nadine entwickelt, so intensiv ist dass es an Liebe grenzt. Doch trotzdem ist das Buch keine Liebesgeschichte. Auf 184 Seiten entfaltet sich eine wunderbare Geschichte, erzählt von Michael, der 1962 bei einem Unfall in der Bibliothek starb. Michael ist kein Held, er war schon zu Lebzeiten ein tollpatschiger Eigenbrötler, was auch zu seinem wirklich spektakulären Abgang aus dem Leben geführt hat. Schon damals waren ihm Bücher die besten Freunde, so trifft es sich gut dass er in einer Bücherei verstorben ist. Er hat sich in den vergangenen 52 Jahren nie einsam gefühlt, doch dann verliebt er sich. In eine Frau, die er nur zwei Mal gesehen und gehört hat. Und wie er sie gehört hat! Ich habe mich köstlich bei dieser eher ungewöhnlichen Szene amüsiert, die in der Abteilung für Fitness-Ratgeber spielt:

Plötzlich hörte ich hinter mir die lieblichste Stimme, die ich jemals vernommen hatte. Kaum war sie in mein Innenohr gedrungen, breitete sich eine Gänsehaut auf meinem nicht mehr vorhandenen Körper aus, und mein Gesichtsausdruck ähnelte automatisch dem eines Cannabis wiederkäuenden Lamas, auch wenn das Gesagte nicht unbedingt meinem Klischee einer wohlerzogenen jungen Dame entsprach.

"So ä Schwachsinn. Das muss ma erschd mol durschhalle. Sisch runnahungere für nix, un dann in alde Gewohnheide verfalle un die ganz Scheiße widda uff die Rippe kriehn. Näh-näh."


Nicht nur, dass von den lebenden "Damen" immer wieder saarländischer Dialekt gesprochen wird, auch das antiquierte Gerede Michaels, der ja schon 1962 starb und in seiner Ausdrucksweise in dieser Zeit stehengeblieben ist, ließ mich immer wieder grinsen oder gar kichern:

Da stand sie! Hochgewachsen, drall, wallendes brünettes Haar, leicht nach hinten gekämmt - ob mit Haarwachs oder in Ermangelung einer Wäsche, konnte ich nicht genau sagen, hätte es aber gerne herausgefunden - dunkle Augen, die ihren Zauber fast gänzlich hinter einer dicken Hornbrille verbargen und auf diese Art nur dem aufmerksamen Beobachter auffielen. Ihre Haut strahlte eine vornehme Blässe aus; vielleicht könnte man auch sagen, die Dame schien lange Zeit tageslichtabstinent gelebt zu haben. Vielleicht war sie Autorin? Oder Übersetzerin? Oder Lektorin?

Michael verfällt in Trübsal als er erfährt dass seine Angebetete plant nach Hamburg zu ziehen. Erst als er nachts eine Ausreißerin in der Bibliothek trifft, die ihn tatsächlich sehen und hören kann, wird er abgelenkt. Zwischen ihm und dem fünfzehnjährigen Gothgirl "Naddel", einer selbsternannten weißen Hexe, entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft, in deren Verlauf Naddel auch durch verschiedene magische Rituale versucht, den Geist von Michaels Angebeteter Yvonne an ihn zu binden.

In dieser Geschichte wird man Leidenschaft und Action meist vergeblich suchen, dafür erzählt Michael aus seinem Leben und von seinen Erlebnissen mit der Ausreißerin Naddel. Das ist aber bei weitem nicht langweilig sondern meist sehr unterhaltsam, mit Happy End und einem Epilog, der 56 Jahre später spielt und eine wirklich herrliche Pointe bereit hält.

Meine Wertung:

Zwischendurch wird die Erzählung mal ein kleines bisschen langweilig, daher ein klitzekleiner Punktabzug und

4,5 von 5 :lesen

:stern
Etwas Muße braucht der Mensch, eine Blume und ein Buch.
Else Pannek (1932-2010)
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